Malapa ist eine fossilführende Höhle etwa 15 Kilometer nordöstlich der berühmten südafrikanischen Fundstellen Sterkfontein und Swartkrans. Malapa befindet sich innerhalb des UNESCO-Welterbes "Cradle of Humankind" rund 45 Kilometer nordwestlich von Johannesburg.
Im März 2008 startete Lee Berger von der University of the Witwatersrand in Südafrika ein Projekt, das sich zum Ziel setzte, die bekannten Höhlen im Cradle of Humankind zu kartographieren. Die geologischen Aspekte des Projekts standen unter der Leitung von Paul Dirks, damals Leiter der School of Geosciences an der University of the Witwatersrand.
Ende Juli 2008 erkannte Berger mit Hilfe von Google Earth auf einer sonst freien Fläche entlang einer geologischen Störung einige Baumgruppen, die typischerweise die Eingänge von Höhlen markieren. Am 1. August machte er sich mit seinem Hund auf, um das unerforschte Gebiet zu erkunden. Es dauerte nicht lange, und er entdeckte in der Nähe von drei Dutzend weiterer Höhlen, die offensichtlich bei früheren Geländeerkundungen unentdeckt blieben, eine reiche Fossilienstätte.
Am 15. August 2008 kehrte Prof. Berger mit Dr. Job Kibii und seinem 9-jährigen Sohn Matthew an die Stelle zurück. Innerhalb weniger Minuten hatte Matthew das Schlüsselbein eines frühen Vorfahren des Menschen entdeckt. Nicht weit davon entfernt entdeckte Berger einen Kieferknochen mit einem Eckzahn - ebenfalls von einem Hominiden. Die Funde wurden später als Teil eines teilweise erhaltenen Skeletts eines juvenilen Hominiden identifiziert, der etwa 9 - 13 Jahre alt war. Am 4. September suchte Berger mit mehr als einem Dutzen Kollegen den Fundplatz erneut auf. Dabei wurde ein zweites Skelett eines erwachsenen, weiblichen Individuum entdeckt.
Die in den folgenden zwei Jahren durchgeführten Studien wurden 2010 in der Zeitschrift «Science» veröffentlicht. Sie weisen nach, wie der zwei Millionen Jahre alte Vorfahre ging, kaute und sich bewegte. Die Fossilien zeigen eine Mischung aus primitiven Merkmalen der Australopithecinen und fortgeschrittenen Merkmalen der späteren Menschenarten. Die Forscher um Prof. Berger sind deshalb der Ansicht, dass die neue Art derzeit der beste Kandidat für einen unmittelbaren Vorfahren unserer eigenen Gattung Homo ist. Sie gaben der neuen Art den Namen Australopithecus sediba.
2013 legen die Forscher neue Studien vor, darunter auch diejenige von Peter Schmid, der bis zu seiner Pensionierung an der Universität Zürich lehrte und forschte. Schmid und seine Studenten Nakita Frater, Sandra Mathews und Eveline Weissen haben die Überreste des Brustkorbs von Australopithecus sediba beschrieben. «Sie zeigen einen engen oberen Brustkorb, wie ihn auch die grossen Menschenaffen wie Orangutans, Schimpansen und Gorillas besitzen», erklärt Peter Schmid. Der Brustkorb des Menschen hingegen ist gleichförmig zylindrisch.
Ein solcher konischer Brustkorb erschwert das Armschwingen beim Gehen, ermöglicht aber Bewegungen des Schulterblattes, die für das Klettern und Hangeln in den Bäumen wichtig sind. Schmid nimmt an, dass Australopithecus sediba nicht so gut auf beiden Füssen gehen oder rennen konnte wie Menschen. «Längere Strecken konnten sie wohl nicht rennen, zumal ihnen das energiesparende Armschwingen fehlte», erklärt Schmid.
Die Untersuchung der unteren Extremitäten zeigen Ferse, Mittelfuss, Knie, Hüfte und Rücken, die einzigartig und neuartig sind. Sediba muss mit stark einwärts gekipptem Fuss gegangen sein. Diese Einwärtsdrehung nach innen unterscheidet ihn von anderen Australopithecinen. Daraus lässt sich folgern, dass sich unsere frühen Vorfahren auf verschiedene Weise fortbewegen konnten.
Arme fürs Klettern und Hangeln
Australopithecus sediba war ein geübter Kletterer. Das zeigen die in Malapa gefundenen Reste von Oberarm, Speiche, Elle, Schulterblatt, Schlüsselbein und Brustbeinfragment. Diese sind eindeutig einem einzigen Individuum zuzuordnen, was einmalig ist im gesamten bisher bekannten Fossilnachweis der frühesten Homininen. Mit Ausnahme des bereits beschriebenen Handskeletts, ist die obere Extremität ausgesprochen ursprünglich. Australopithecus sediba verfügt wie alle anderen Vertreter der Gattung Australopithecus über einen Armbereich, der sowohl fürs Klettern wie möglicherweise auch fürs Hangeln geeignet war. Möglicherweise war diese Fähigkeit sogar ausgeprägter als dies bis anhin für diese Gattung angenommen wurde.
Unterschiede zu Australopithecus afarensis
Aufgrund der Zahnkronen nehmen die Forscher an, dass Australopithecus sediba stammesgeschichtlich nicht zu den ostafrikanischen Australopithecinen gehört, sondern näher bei Australopithecus africanus liegt und damit eine südafrikanische Schwestergruppe bildet. Dies hat eine Auswirkung auf das moderne Verständnis der Entwicklungsgeschichte der frühen Homininen aus dem ausgehenden Pliozän. Demnach wären Australopithecus sediba und vielleicht auch Australopithecus africanus nicht aus Australopithecus afarensis hervorgegangen.
Untersucht wurden auch der Unterkiefer des weiblichen Skeletts und bisher unbekannte Schneidezähne und Vorbackenzähne. Wie bereits auch am Schädel und anderen Bereichen des Skeletts festzustellen ist, weisen die Unterkieferreste Gemeinsamkeiten mit anderen Australopithecinen auf. Sie unterscheiden sich jedoch in Grösse und Form wie auch in den ontogenetischen Wachstumsveränderungen von Australopithecus africanus. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass sich Australopithecus sediba taxonomisch von Australopithecus africanus unterscheidet. In den betreffenden Unterschieden scheinen die Unterkieferteile am meisten denen der Vertreter des frühen Homo zu ähneln.
Die Analyse der Hals-, Brust, Lenden- und Kreuzbeinregion der Wirbelsäule zeigen, dass Australopithecus sediba gleich viele Lendenwirbel hatte wie der moderne Mensch. Das starke Hohlkreuz lässt vermuten, dass er in diesem Bereich fortschrittlicher war als Australopithecus africanus und eher mit dem Homo erectus verglichen werden kann.
Die neuen Studien zeigen ein einmaliges Bild einer Menschenart mit einem mosaikartigen Körperbau. Einige Körperteile entsprechen denjenigen von früheren und andere denjenigen von späteren Homininen. «Die zahlreichen Gemeinsamkeiten mit Homo erectus lassen vermuten, dass Australopithecus Sediba die geeignetste Vorform der Gattung Homo darstellt» sagt Peter Schmid. Die bisherigen Kandidaten seien zu fragmentarisch, um diese Stellung einnehmen zu können.
Literatur
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Berger L. R., de Ruiter D. J., Churchill S. E., Schmid P., Carlson K. J., Dirks P. H. G. M., Kibii J. M. 2010. Australopithecus sediba: A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa. Science 328 (5975): 195–204
DOI: 10.1126/science.1184944 -
Schmid P., Churchill S. E., Nalla S., Weissen E., Carlson K. J., de Ruiter D. J., Berger L. R. 2013. Mosaic Morphology in the Thorax of Australopithecus sediba. Science.
DOI: 10.1126/science.1234598
Koordinaten von fossilized.org